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Die Geschichte

Hansjürgen Rosenbauer

Hansjürgen Rosenbauer
Intendant des Ostdeutschen Rundfunks Brandenburg

"Es war eine der Ideen, wie sie fast nur in den Jahren nach Wende und Einheit entstehen konnte, in einer Situation des Aufbruchs, der Neuerungen und des Wandels. Christoph Links und Hannes Bahrmann hatten mir ihr gerade veröffentlichtes Buch "Wir sind das Volk!" geschickt, das nüchtern, präzise und spannend zugleich die dramatischen Ereignisse im Herbst '89 dokumentierte. Nun saßen wir in meinem noch provisorischen Büro in einer grauen Platten-Baracke auf dem Babelsberger DEFA-Gelände, und das Projekt war schnell verabredet: Eine "Chronik der Wende" für das Fernsehen, eine umfassende Dokumentation über jene Wochen, in der die Ostdeutschen die Diktatur überwanden und ein Staat fast über Nacht in sich zusammenfiel.

Der mutige Protest der Bürger auf den Straßen, der Ruf nach Freiheiten und demokratischen Rechten, die Konfrontation mit der Staatsmacht, der Sturz der alten SED-Führung, das Gefühl des Aufbruchs, die Öffnung der Mauer, die Trabbi-Schlangen gen Westen, die Diskussionen am "Runden Tisch" und die Bildung politischer Gruppen und Parteien, die Auflösung der alten Strukturen, der offene Meinungsstreit über den richtigen Weg . . . Eine filmische Erinnerung an eine historische Umbruchsituation, die fast alle Ostdeutschen als tiefen Einschnitt in ihrer Biografie empfinden. Ein großangelegtes Fernsehprojekt einer kleinen, neuen ARD-Anstalt, des Ostdeutschen Rundfunks Brandenburg (ORB).

Ein Team von jungen Fernsehmachern, angeleitet vom erfahrenen Regisseur Wolfgang Drescher, hat diesen Plan einer aufwendigen TV-Chronik über die Wende unter großem Zeitdruck und mit bewundernswertem Einsatz umgesetzt. Es entstanden 73 Kurzdokumentationen, die umfassend recherchiert und journalistisch genau die atemberaubenden Ereignisse Tag für Tag schilderten. Im Herbst 1994, genau fünf Jahre nach den umwälzenden Veränderungen, lief die "Chronik der Wende" in der ARD, im ORB, im Deutsche-Welle Auslandsfernsehen und in mehreren Dritten Programmen, später präsentierten der deutsch-französische Kultursender ARTE und das britische Auslands-TV BBC-World die Höhepunkte der Reihe, und sogar in Süd-Korea wurde die "Chronik der Wende" im Fernsehen gezeigt.

Schon damals hatten wir das Gefühl: Mit der ersten Staffel, die das Geschehen vom 7. Oktober '89, dem 40. Jahrestag der DDR, bis zum 18. Dezember '89, dem Tag der letzten Montagsdemos des Wendejahres, beschreibt, ist die Geschichte noch nicht zuende erzählt. Die Veränderungen und Umwälzungen waren weitergegangen, und spätestens bis zum 18. März 1990, dem Tag der ersten freien Volkskammerwahlen, hatte sich noch nicht entschieden, ob das Neue über das Alte würde siegen können. Und so entschlossen wir uns, die "Chronik der Wende" bis zu diesem historischen Datum fortzusetzen."