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Berlin (Ostberlin)

Ostberlin war nicht nur das administrative, politische und kulturelle Zentrum der DDR. Es war auch das Zentrum ihrer Widerständigkeit. Außerdem war Ostberlin immer ein Anziehungspunkt für Touristen aus dem Westen. Allein schon solche Kontakte machten die Situation von Oppositionellen in der östlichen Hälfte Berlins wesentlich einfacher als z.B. in Cottbus, Greifswald oder Freiberg.
So zum Beispiel konnte trotz Zwangsvereinigung von SPD und KPD zur SED die SPD - wegen des besonderen Status der Stadt – bis 1961 noch eigene Kreisverbände in Ostberlin aufrechterhalten. 1961 gab es offiziell noch 5.327 Mitglieder der SPD in Ostberlin. Die SPD schloß ihre Büros nach dem Mauerbau selbst. Man war sich sicher, dass man weiterem Druck nicht mehr würde standhalten können.
Bis 1948 war die Humboldt-Universität ein Zentrum der Auseinandersetzungen zwischen KPD/SED und Gegnern. Erst nachdem ein Teil der Studenten die Freie Universität Berlin in Westberlin mitgegründet hatte und die Humboldt-Universität verließ, nahmen die Auseinandersetzungen ab.
Auch beim Aufstand des 17. Juni 1953 bildete Ostberlin ein wichtiges Zentrum. Von hier ging die Initialzündung aus. Auch die inner-parteiliche Opposition in der DDR hatte in Ostberlin wichtige Vertreter und Strukturen. Die Verlage, Redaktionen und Universitäts-institute, in denen ihre Vertreter arbeiteten, befanden sich hier.
Die "Kampfgruppe gegen Unmensch-lichkeit“, der "Untersuchungsausschuss freiheitlicher Juristen“ hatten - wie die Ostbüros der politischen Parteien - ihren Sitz in Westberlin und verfügten in Ostberlin über einfachere Organisationsbedingungen als in anderen Städten der DDR.
Der Mauerbau bildete eine deutliche Zäsur für die Oppositionsgeschichte der DDR und in Ostberlin. Bis zum 13. August war die große Zahl der DDR-Flüchtlinge (etwa 3,5 Millionen) über Ostberlin nach Westdeutschland gelangt. Von den ca. 1000 Toten, die an der innerdeutschen Grenze ums Leben kamen, starben an dem Mauerabschnitt in Berlin etwa 200.
Nach dem Mauerbau bildete sich in Ostberlin eine jugendliche Lebens- und Protestkultur, die viele Bezüge zur Protestkultur in Westberlin hatte. Man versuchte ein Leben soweit außerhalb gesellschaftlicher und staatlicher Strukturen zu realisieren. Debattierklubs entstanden, und Häuser wurden besetzt.
Besonders seit der Ausbürgerung Wolf Biermanns im Jahr 1976 politisierte sich ein Teil dieses jugendlichen Protestmilieus und bildete Strukturen heraus.
Ostberlin war auch der Ort an dem sich in den 70er und 80er Jahren die kleinen Strukturen einer politischen Opposition herausbildeten: z. B. der Kreis um die Regimekritiker Havemann und Biermann.
Die so genannte "offene Arbeit“ der Evangelischen Kirchen hatte viele Orte in Ostberlin, zum Beispiel in den Galiläa-, Samariter-, Auferstehungs- und Elias-Gemeinden.
Auch die unabhängige Friedensbewegung der DDR hatte in Berlin ihre Orte: die Samaritergemeinde in Berlin, der Friedenskreis Friedrichsfelde und viele andere. 1986 wurde in Berlin eines der Zentren der unabhängigen Ökologiebe-wegung der DDR gebildet: die Umweltbibliothek. In demselben Jahr entstand die DDR-weit agierende "Initiative Frieden und Menschenrechte“.
Die Verhaftungen von Oppositionellen im Rahmen verschiedener Angriffe der Staatssicherheit auf Strukturen von Dissidenten in Ostberlin 1987/88 führten schließlich auch zu den landesweiten Protesten, die den unmittelbaren Vorlauf der demokratischen Umwälzung 1989 bildeten.

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