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Bausoldaten

Durch eine Anordnung des Nationalen Verteidigungsrates der DDR wurden am 7. September 1964 so genannte "Baueinheiten“ in der NVA ins Leben gerufen. Bausoldaten dienten nicht an der Waffe, waren statt des Fahneneids zu einem Gelöbnis und zu unbedingtem Gehorsam gegenüber ihren Vorgesetzten verpflichtet. Im Zeitraum der Existenz der Bausoldatenregelung (1964 – 1989) gab es ca. 27.000 von ihnen. Der Anteil der Bausoldaten an den Wehrpflichtigen bewegte sich zwischen 0,5 und l ,5 Prozent. Ihre Kennzeichen waren Spaten auf den Schulterstücken der Uniform. Bausoldat konnte man werden, wenn man die Ausbildung an der Waffe aus "religiösen Anschauungen oder aus ähnlichen Gründen“ ablehnte.
Nach der Einführung der Wehrpflicht in der DDR im Jahr 1962 begannen eine Reihe vorwiegend christlicher Menschen den Wehrdienst zu verweigern und waren dafür auch bereit ins Gefängnis zu gehen. Die SED war an solchen Konflikten zu Beginn der 60er Jahre nicht interessiert. Sie schloß deshalb einen Kompromiss mit den Evangelischen Kirchen: Wehrdienstverweigerung konnte es nicht geben, aber eben Bausoldaten.
Die Einrichtung war in der DDR mehr oder minder tabuisiert, Bausoldaten wurden überall diskriminiert (Zugang zu Bildungseinrichtungen, Berufsbeschränkungen etc.). Insbesondere das Ministerium für Staatssicherheit sah in Bausoldaten eine »Konzentration negativ-feindlicher Kräfte«. Deshalb erstellte man bereits vor der Einberufung Dossiers über sie. Bei der Werbung von Spitzeln innerhalb dieser Gruppe hatte man allerdings erhebliche Schwierigkeiten.
Die Beschäftigung der Bausoldaten war absichtlich so angelegt, dass sie Gewissenkonflikte hervorrief. Ihr Arbeitseinsatz konzentrierte sich oft auf den Bau von Militärflugplätzen und Schießanlagen. Konflikte waren deshalb nicht selten. Verweigerungshandlungen der Bausoldaten wurden mit drakonischen Strafen geahndet. Der Grundkonflikt war darin angelegt, dass die DDR-Wehrdienstverweigerer soziale Friedensdienste anstrebten, wie sie Kriegsdienstverweigerer in der Bundesrepublik leisteten (Krankenhäuser, etc.), dies aber gerade in der DDR nicht zugelassen wurde.
Von 1964 bis 1973 waren Bausoldaten in so genannten "Baupionierbattallionen“ zusammengefasst. Konflikte waren in diesem Zeitraum besonders häufig. Zwischen 1974 und 1982 erfolgte ihr Einsatz weitgehend dezentralisiert. In diesem Zeitraum gab es nur wenige Aktivitäten. Seit 1983 nahmen Konflikte wieder zu, denn die Bausoldaten wurden nun – angesichts der immer deutlicher werdenden ökonomischen Krise der DDR - wieder in größeren Gruppen zusammengefasst und auf Großbaustellen eingesetzt.
Neben öffentlichen Erklärungen brachten Bausoldaten Kritik am System der DDR vorwiegend im Rahmen von Politschu-lungen und Wahlentscheidungen zum Ausdruck. Das Ministerium für Staatssicherheit lastete ihnen vor allem die »Propagierung pseudopazifistischer und neutralistischer Positionen« sowie das Eintreten für eine »so genannte staatsunabhängige Friedensbewegung« an.
Von Anfang an bildeten Bausoldaten nach ihrem Dienst organisatorische Strukturen aus. Zwar duldeten Staat und Evangelischen Kirchen keine offiziellen Strukturen, unter dem Schutzschild des Jungmännerwerks der Evangelischen Kirche entstanden jedoch so genannte "Regionalkreise“, die ehemalige und zukünftige Bausoldaten miteinander bekannt machten und manchmal sogar Friedensseminare durchführten. Teilweise entstanden auch Materialsammlungen für entsprechende Tagungen und Seminare, die dann weitergereicht wurden. Die Arbeitsstelle Friedensfragen beim Bund der Evangelischen Kirchen entwickelte sich nicht nur zu einem Zentrum staatsunabhängiger Friedensforschung sondern auch zu einem initiierenden Zentrum für die unabhängige Friedensbe-wegung. Im Jahr 1986 stellte das MfS zwölf Gruppierungen von ehemaligen Bausoldaten vornehmlich in Sachsen, Thüringen, Berlin und Sachsen-Anhalt fest. Ohne die Bausoldaten hätte es die späteren Basisgruppen der DDR-Opposition nicht gegeben.

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