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Dienstag,
der 19. Dezember 1989

Während sich noch kurz zuvor nahezu drei Viertel der befragten DDR-Bürger gegen eine baldige Vereinigung mit der Bundesrepublik ausgesprochen hatten, schlägt Bundeskanzler Helmut Kohl bei seinem Besuch in Dresden eine Welle der Begeisterung entgegen. Vor seinem Hotel wird er mit Rufen wie "Helmut, Helmut" und "Deutschland einig Vaterland" empfangen. Nach seinen Gesprächen mit DDR-Premier Hans Modrow äußert sich Helmut Kohl "sehr zufrieden". Auf einer Pressekonferenz geben beide Politiker die Ergebnisse ihrer Gespräche bekannt. Danach wird das Brandenburger Tor in Berlin noch vor Weihnachten geöffnet und sind die Reisen für Bundesbürger ab Heiligabend visafrei. Alle politischen Gefangenen sollen bis Weihnachten entlassen werden. Hans Modrow verweist darauf, daß ein "Vertrag über Zusammenarbeit und gute Nachbarschaft" erarbeitet werden soll, um so schrittweise eine Vertragsgemeinschaft mit der Bundesrepublik aufzubauen.

Im Gegensatz zum SPD-Ministerpräsidenten des Saarlandes, Oskar Lafontaine, begrüßt der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, Willy Brandt, ausdrücklich die wachsende "Einheit von unten".

Durch die Übersiedlung zahlreicher Ärzte in den Westen wird die Sicherung der medizinischen Versorgung prekär. Der Magistrat von Ostberlin bietet deshalb jungen Westberliner Ärzten ohne Beschäftigung eine Anstellung und Facharztausbildung an. Der Senat von Westberlin kündigt die Lieferung der ersten 30 Tonnen medizinischer Hilfsgüter an, die im Rahmen einer Soforthilfe für das Ostberliner Gesundheitswesen bereitgestellt werden.

Als erstes Bundesland lockert Schleswig-Holstein mit sofortiger Wirkung die Richtlinien für Reisen von Angehörigen des öffentlichen Dienstes in die DDR. Wie Innenminister Hans Peter Bull mitteilt, brauchen Personen, die zum Umgang mit Verschlußsachen ermächtigt sind, ihrer Behörde derartige Fahrten nur noch rechtzeitig anzuzeigen. Demnach können auch Landesbedienstete, die die Geheimhaltungsstufen "Geheim" und "Streng geheim" tragen, künftig in die DDR reisen. Für Mitarbeiter des Verfassungsschutzes und vergleichbare Angehörige der Kriminalpolizei bleiben DDR-Reisen jedoch weiterhin untersagt.

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