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Samstag,
der 18. November 1989

An diesem zweiten Wochenende mit offener Grenze sind Millionen DDR-Bürger unterwegs, um nahegelegene Städte in der Bundesrepublik oder Westberlin zu besuchen. Die Züge der Reichsbahn sind "zu 400 Prozent ausgelastet". Auf den Bahnhöfen kommt es zu tumultartigen Szenen. Vor den Autobahngrenzübergängen bilden sich trotz zügiger Abfertigung kilometerlange Schlangen.

Es lockt nicht nur das Neue, sondern auch das Begrüßungsgeld der Bundesregierung, das neben dem Umtausch von 15,- DM pro Person und Jahr in der DDR die einzige Möglichkeit ist, legal an Devisen zu gelangen. Vielen reicht dies noch nicht aus, da die übervollen Schaufenster allzusehr locken. Erneut fließen große Mengen der DDR-Währung in die Wechselstuben, auch wenn der Kurs mit 1 : 12 bis 1 : 20 anhaltend schlecht ist. Ministerpräsident Hans Modrow warnt angesichts dieser Situation seine Landsleute, ihr hart verdientes Geld "im Westen nicht wegzuwerfen".

Im Staatsrat wird die neue Koalitionsregierung durch den Staatsratsvorsitzenden Egon Krenz vereidigt. Statt einer Eidesformel gibt es einen einfachen Handschlag. Doch es bleibt der Makel, daß es sich um keine demokratisch legitimierte Regierung handelt. Sie ist nicht aus freien Wahlen hervorgegangen. Auch die neuen politischen Kräfte sind nicht vertreten. Es ist eine Übergangsregierung.

In Leipzig findet auf dem Dimitroffplatz die erste genehmigte Kundgebung des Neuen Forum statt, zu der angesichts des Reisestroms gen Westen weniger Menschen kommen als erwartet. Etwa 20.000 fordern freie Wahlen und Pressefreiheit.
Auch in Plauen ziehen 10.000 vor das Rathaus und im thüringischen Suhl folgen etwa 5000 dem Aufruf des Neuen Forum. In Eberswalde-Finow sind es 7000 Menschen. Zu den immer wiederkehrenden Forderungen gehören die nach radikalen Wirtschaftsreformen, nach Demokratisierung des politischen Lebens und dem Schutz der Umwelt.

In Dresden findet eine Kundgebung von 50.000 Menschen für die Rettung der Baudenkmäler der Stadt und die Beendigung des Ausverkaufs von nationalen Kunst- und Kulturgütern statt.

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