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Aktion Sühnezeichen

Aktion Sühnezeichen ist 1958 als Einrichtung der damals noch gesamtdeutschen protestantischen Kirche entstanden. Ihre Aufgabe war es eine tief greifende Gewissensprüfung der nachnationalsozialistischen deutschen Teilgesellschaften zu befördern. Durch "Zeichen der Sühne“ und die Bitte um Vergebung sollte diese Auseinandersetzung auch öffentlich sichtbar werden. Insbesondere mit den von den Deutschen unterdrückten und teilweise ausgerotteten Völkern sollte ein Prozess der Versöhnung angestoßen werden.
Lothar Kreyssig, der Initiator der Aktion Sühnezeichen, trug am 30. April 1958 die folgenden Sätze auf der Synode der Evangelischen Kirche Deutschlands in Berlin-Spandau vor: "Wir Deutschen haben den Zweiten Weltkrieg begonnen und schon damit mehr als andere unermeßbares Leiden der Menschheit verschuldet: Deutsche haben in frevlerischem Aufstand gegen Gott Millionen von Juden umgebracht. Wer von uns Überlebenden das nicht gewollt hat, der hat nicht genug getan, es zu verhindern. Wir haben vornehmlich darum noch immer keinen Frieden, weil zu wenig Versöhnung geschieht. [...] Es droht zu spät zu werden. Aber noch können wir, unbeschadet der Pflicht zu gewissenhafter politischer Entscheidung, der Selbstrechtfertigung, der Bitterkeit und dem Haß eine Kraft entgegensetzen, wenn wir selbst wirklich vergeben, Vergebung erbitten und diese Gesinnung praktizieren.“
Es ist deshalb nicht ganz zufällig, dass ein langjähriges Mitglied der Aktion, Konrad Weiß, in das erste frei gewählte Parlament der DDR einen Text einbrachte, der zum ersten Mal die Übernahme von Verantwortung und Haftung durch die DDR signalisierte. In der Erklärung der Volkskammer vom April 1990 hieß es genau: "Wir, die ersten frei gewählten Parlamentarier der DDR, bekennen uns zur Verantwortung der Deutschen in der DDR für ihre Geschichte und ihre Zukunft und erklären einmütig vor der Weltöffentlichkeit: Durch Deutsche ist während der Zeit des Nationalsozialismus den Völkern der Welt unermessliches Leid zugefügt worden. Nationalismus und Rassenwahn führten zum Völkermord, insbesondere an den Juden aus allen europäischen Ländern, an den Völkern der Sowjetunion, am polnischen Volk und am Volk der Sinti und Roma. (...) Wir bitten die Juden in aller Welt um Verzeihung für Heuchelei und Feindseligkeit der offiziellen DDR-Politik gegenüber dem Staat Israel und für die Verfolgung und Entwürdigung jüdischer Mitbürger auch nach 1945 in unserem Lande.“
Nach dem Bau der Mauer war Aktion Sühnezeichen geteilt worden und entwickelte sich unter dem Dach der evangelischen Kirche – aber mit einem ökumenischen Selbstverständnis – weiter. Seit dem Beginn der 60er Jahre arbeiteten jährlich mehrere hundert junge Menschen in kirchlichen und caritativen Einrichtungen der DDR. Seit 1966 organisierte man auch Pilgerfahrten nach Polen. Sie wurden auch dazu genützt, die Teilnehmer mit den Überresten der Vernichtungslager Auschwitz und Majdanek bekannt zu machen. An den jährlichen Treffen von Aktion Sühnezeichen nahmen bis zu 300 Menschen teil.
Die Organisation war keine organisierte Opposition, schuf jedoch ein kulturelles Milieu für eigenständiges Denken und damit auch Handeln. In einer sich weitgehend selbst-exkulpierenden aber antifaschistisch wähnenden Umgebung bildete die Organisation eine Insel des Nachdenkens über Verantwortung und Haftung. SED und MfS hielten die Organisation unter Kontrolle. Es gelang jedoch trotzdem ein Netz an Kontakten auch in die anderen ostmitteleuropäischen Staaten aufzubauen, das dann in den 70er und 80er Jahren auch dem Transport von Ideen osteuropäischer Dissidenten in die DDR diente.

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